Sichtweisen

Dystonie Sichtweisen

Erkrankungsakzeptanz

Gesundheit ist auch eine Frage des Glücks.

Gesundheit ist jener vorübergehender Zustand,

der auch als "gerade nicht erkrankt"

bezeichnet werden kann.

Krank ist nicht gleich krank.

Oder: Heute ja, morgen vielleicht nein!


Der Begriff Akzeptanz beschreibt u.a. die Bereitschaft eines Menschen, etwas – eine Sache, eine Person oder eine Situation – so zu nehmen, wie sie ist; anzunehmen sozusagen. Eine Person mit ihren Stärken und Schwächen. Ein Gebäude mit seinen Vorzügen und Mängeln. Eine Pandemie mit ihren Einschränkungen und Möglichkeiten. Hand auf's Herz: Leichter gesagt als getan, oder? Dies und vieles mehr dürften nun auch Gesunde, nach mehr als zwei Jahren der Pandemie, ein für alle Mal verstanden haben.


Wie auch immer: Im Hinblick auf Gesundheit, Erkrankung und Lebensqualität bedeutet "Akzeptanz" zunächst einmal die Einsicht eines Jeden bzw. einer Jeder, zu erkennen, dass der Zustand der körperlichen, seelischen, sinnesbezogenen und geistigen Unversehrtheit nicht mehr und nicht weniger als "Glück in der Schwangerschaft", "Glück bei der Geburt" und hernach zudem maßgeblich auch genetischen, individuellen, familiären sowie gesellschaftlichen Glücks ist. So werden zahlreiche Menschen zunächst gesund geboren, erkranken jedoch sodann aufgrund einer genetischen Veranlagung, Infektion oder Vergiftung; werden Opfer körperlicher Gewalt, verunfallen oder erleiden ein seelisches Trauma, welches wiederum ihrer  Gesundheit schadet. Gesundheit ist eben auch eine Frage des Glücks; gleichwohl nicht nur.


Im Hinblick auf die Akzeptanz einer Erkrankung, bedarf es jedoch sodann eines differenzierten Blickes bzw. zunächst einmal einer Unterscheidung zwischen akuten, subakuten sowie chronischen Erkrankung. Nicht zuletzt ist wesentlich, ob eine Erkrankung von kurzer, mittlerer oder fortgesetzter Dauer ist. Bedeutsam ist zudem, ob aus ihr resultierende körperliche und oder seelische Beeinträchtigungen von vorübergehender oder dauerhafter Natur sind. Schlussendlich für ihre Akzeptanz unweigerlich höchst bedeutsam sind Verlaufsprognose und Lebenserwartung.

Eine akute Erkrankung nehmen die meisten Betroffenen, ohne großes Federlesen, hin. Eine Erkältung oder Magen- und Darmgrippe kommt, bleibt und geht. Die Akzeptanz liegt darin begründet, dass der Ablauf weitgehend bekannt ist und Langzeitfolgen höchst unwahrscheinlich sind. Hinzu kommt, dass es Heilverfahren – seien es z.B. Medikamente – gibt, welche die mit einer akuten Erkrankung verbundenen Einschränkungen sowie Schmerzen zunächst lindern und sodann in Gänze abklingen lassen.

Glück im Unglück sozusagen.


Bei subchronischen Erkrankungen, also jenen, die bis zu sechs Monaten andauern, verhält es sich mit ihrer Akzeptanz durch die Betroffenen bereits deutlich anders. Das Maß ihrer Akzeptanz wird wesentlich auch von folgenden Faktoren geprägt:


  • Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzen
  • Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit therapeutischer Mittel
  • Soziale Unterstützung durch Freunde, Familie sowie ggf. Pflegekräfte
  • Rückendeckung vom Arbeitgeber und Unterstützung von Verbänden und Vereinen
  • Erwartbarkeit von Langzeitfolgen sowie die erkrankungsbezogene Lebenserwartung


Vom Grunde her gilt: Je besser die therapeutische sowie familiäre Begleitung, je verständnisvoller Freund:innen, Verwandte und Bekannt:innen, je verlässlicher die Rückendeckung des Arbeitgebers und je weniger Langzeitfolgen erwartbar, desto unproblematischer bzw. höher die Akzeptanz der Erkrankung.


Bei chronischen Erkrankungen gestaltet sich die Akzeptanz durch Betroffenen, abhängig zuvorderst vom Alter der Erkrankung, dem erwartbaren Erkrankungsverlauf sowie der Lebenserwartung, deutlich schwieriger. Dies liegt zunächst darin begründet, dass sie, ab einem gewissen Zeitpunkt, um ihre Dauerhaftigkeit als solches nicht nur wissen; sondern diese auch zu realisieren beginnen. Die chronische Erkrankung wird damit medizinisch und persönlich zu einem unabänderlichen Bestandteil ihres Lebens. Dies bedeutet wiederum, dass es den Zustand des vorübergehenden „Nicht-Krank-Seins“, also "Gesund-Seins", so nicht mehr geben wird. Eine niederschmetternde Erkenntnis, die zusätzlich zur Erkrankung verarbeitet, will heißen akzeptiert werden will.


Im Hinblick auf Dystonie kommen regelmäßig Funktionsbeeinträchtigungen, eines veränderten Aussehens sowie Schmerzen hinzu. Nebenwirkungen von Medikamenten, ständige Termine bei Ärzt:innen und Therapeut:innen zählen zum Alltag; mal mehr, mal weniger hilfreich. Mal mehr, mal weniger erbaulich. Besonders schwer Betroffene sind bei bestimmten Aufgaben oder gar allenthalben auf Unterstützung angewiesen. Wenn Pflege- oder Assistenzbedarf besteht, bedeutet dies nicht selten zusätzlich Stress. Dies nicht nur, ob des Pflege- und Assistenzkräftemangels. Vielmehr auch aufgrund der Tatsache, dass viele, die nicht fest bei einem Pflegedienst angestellt sind, lieber schwarz arbeiten, um am Ende des Monats mehr im Portmonee zu haben.


Hinzu kommt, dass sich Phasen der Akzeptanz, mit Phasen der Nichtakzeptanz, je nach Lebensumständen und Symptomen, durchaus abwechseln können. Auch hier gilt: Nichts ist für die Ewigkeit. Außerdem bedeutsam ist, dass die Akzeptanz einer chronischen Erkrankung im Allgemeinen – in unserem Falle also der bzw. einer Dystonie – aus meiner Sicht nichts mit der Akzeptanz ihrer Symptome und daraus resultierender Begleitumstände zu tun haben muss. Dies sind mithin zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe.


Ich, zum Beispiel, akzeptiere durchaus meine Generalisierte Dystonie. Ich habe gleichsam meine Rollstuhlpflichtigkeit akzeptiert. Je nach Tagesform fällt es mir jedoch schwer, die mit der Dystonie verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen und aus diesen resultierenden Unterstützungsbedarfen anzunehmen. Es gibt Tage, da fällt es mir leichter, als an Anderen. Was ich indes niemals werde akzeptieren können und wollen sind „sinnlose Barrieren“, die mir als rollstuhlfahrende Person eine selbstständige gesellschaftliche Teilhabe tagtäglich erschweren oder mitunter gar unmöglich machen.


Kurzum: Ich akzeptiere meine Dystonie. Ich akzeptieren meine Rollstuhlpflichtigkeit. Ich akzeptiere jedoch nicht die aus resultierenden Folgen für mein Leben, insbesondere dann nicht, wenn sie vermeidbar wären.


Demgemäß hängt die Akzeptanz einer chronischen Erkrankung von vielen Umständen ab.

Hinzu kommt bei den meisten die Tagesform …

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