Oromandibuläre Dystonie

Oromandibuläre Dystonie

Hier erfährst Du etwas über Dystonien des Unterkiefers, Mundbodens und der Zunge

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Dystonie der Unterkiefer-, Mundboden- und Zungenmuskulatur

Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Funktionsstörung im Zusammenspiel zwischen Kiefergelenken, Kaumuskulatur und Zähnen

Quelle: Dissertation, Katharina Specht (2011), Dystonien mit Beteiligung der mastikativen Muskulatur. Göttingen.

"Eine oromandibuläre Dystonie ist charakterisiert durch unwillkürliche tonische oder klonische Spasmen der Kau- und / oder Zungenmuskulatur bzw. der Muskeln im stomatognathen System. Sie wird oft fälschlicherweise als kraniomandibuläre Dysfunktion oder psychiatrische Erkrankung diagnostiziert."


vgl. Kazuya Yoshida (2020): Behandlungsstrategie

bei oromandibulären Dystonien. Thieme.

An dieser Stelle mein Dank Sandra Saftig, die mir - als Betroffene - zahlreiche inhaltlich ergänzende Tipps zu oromandibulären Dystonie gegeben hat.

Zu einem Fachaufsatz von Kazuya Yoshida

Alleinig selten, in Verbindung mit einem Blepharospasmus die zweithäufigste Dystonieform


Die oromandibuläre Dystonie (OMD) - "oris" (lat. Mund) und "mandibular" (lat. Unterkiefer) - ist jene Form einer fokal dystonen Bewegungsstörung, bei der die Unterkiefer-, Mundboden- und/oder Zungenmuskulatur unwillkürlich zuckt, zittert und/oder krampft. Typisch sind unkontrollierbare und stereotype Zungen- und Kaubewegungen.


Eine OMD kommt höchstselten alleine vor; häufig tritt sie in Kombination mit einer orofascialen Dystonie und/oder einem Belpharospasmus auf.

In diesen Fällen spricht die Neurologie auch von einem "Meige-Syndrome".


Wie auch immer: Bei einer OMD in Verbindung mit einem Blepharospasmus ("Zwinkerzwang") handelt es sich, nach der Zervikalen Dystonie, um die zweithäufigste Dystonieform.


Bei der Oromandibulären Dystonie kann zwischen sechs Unterformen bzw. Subtypen unterschieden werden, der Kieferschluss-, Kieferöffnungs-, Zungen-, Kieferdeviations-, Kieferprotrusions-

und Lippendystonie. Der häufigste Subtyp ist, mit etwa 80%, die Kieferschlussdystonie (vgl. K. Yoshida, 2020). Mischformen kommen hinzu.


Besonders alltagsbeeinträchtigend ist für Betroffene, wenn die Zunge nicht im Mund gehalten werden kann und, aufgrund der fortwährenden Zungenbewegungen, in Verbindung mit einem teilweise oder in ganze geöffnetem Mund, der Speichelfluss erhöht ist und Speichel unwillkürlich austritt (Sialorrhoe).


Eine OMD kann das Trinken, Essen, Kauen und Schlucken sowie Sprechen erschweren oder gar unmöglich machen kann. Hinzu können Bissverletzungen und eine widernatürliche Abnutzung der Zähne und Kiefergelenken kommen.

 

+ + + Wichtig + + +


  • Eine Oromandibuläre Dystonie (OMD) ist etwas anderes, als eine Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Eine umfassende und präzise Differenzialdiagnostik ist vor Einleitung einer Therapie unerlässlich.


  • Eine Oromandibuläre Dystonie (OMD) vermag zusätzlich Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) auszulösen, oder umgekehrt. Zur Linderung muss jedes Phänomen zunächst gesondert betrachtet und dann sachgerecht behandelt werden.


  • Eine Oromandibuläre Dystonie kann in Einzelfällen auch mit einer Schluckstörung (Dysphagie) auftreten, welche wiederum entweder ein eigenständiges Symptom oder Bestandteil einer Dystonie des Kehlkopfes also einer laryngealen Dystonie sein kann.


  • Schließlich kann eine oromandibuläre Dystonie dazu führen, dass aufgrund kranialer, also den Kopf betreffender Fehlbewegungen und Fehlhaltungen auch bestimmte Bereiche der Schulter- und Nackenmuskulatur verspannen. In diesen Fällen gilt es abzuklären, ob es sich um ein dystones Phänomen des "Overflow" oder insgesamt um eine segmentale Dystonie handelt, bei der Bereiche des Gesichtes, Kopfes sowie der Schultern betroffen sind.


Wie auch immer: Eine oromandibäre Dystonie - gleich ob alleine, oder in Kombination mit anderen Symptomen ist jene Dystonie, welche - so diese in ausgeprägter Form vorliegt - vielfach doppelt sozialschädlich ist. Zum einen ziehen sich Betroffenen regelmäßig von sich aus zurück. Zum anderen wendet sich Dritte häufig ab, da ihnen das fortwährende Grimassieren und/oder der Speicheln unangenehm ist und, gerade in der Öffentlichkeit,

Fremdscham auslöst.

Dystonie(n) des Kopfes oder:

Kraniale Dystonie(n)

Oromandibuläre Dystonie

Unterkiefer-, Mundboden- und Zungenmuskulatur

und/oder

Blepharospasmus

Dystonie der Ring- bzw. Lidschlussmuskulatur der Augen

und/oder

Orofasziale Dystonie

Mund- und Mimikmuskultur mit/ohne Augenbeteiligung


Meige-Syndrom

Ursachen Oromandibulärer Dystonien

Eine oromandibuläre Dystonie kann in jedem Alter auftreten. Neugeborne sind höchst selten betroffen. Mit Blick auf den Durchschnitt setzt sie um das 35. Lebensjahr ein, wobei Frau sein, warum auch immer, häufiger Betroffen sind als Männer.

"Meige-Syndrom"

Eine Kombination aus

oromandibulärer Dystonie

und Blepharospasmus.


Benannt nach dem französischen Neurologen und Kunsthistoriker Henry Meige (1866–1940), der das Krankheitsbild 1910 ausführlich beschrieb.

Oromandibuläre Dystonien sind

auf vielfältigste Ursachen zurückzuführen


In Deutschland sind etwa 50 Personen aus einer Millionen betroffen, was rund 4.000 Betroffenen in Deutschland entspricht. Bei ihnen handelt es jedoch lediglich um das Hellfeld, also jene, die zutreffend diagnostiziert worden sind. Das Dunkelfeld bleibt hinzuzurechnen, weshalb die tatsächliche Zahl der Betroffenen höher liegen dürfte. Doch so oder so, bei der oromandibulären Dystonie handelt es sich nach der Zervikalen Dystonie, in Verbindung mit einem Blepharospasmus, um die zweithäufigste Dystonieform.


Eine Oromandibuläre Dystonie kann unvermittelt auftreten. Bei den meisten Betroffenen entwickelt sie sich jedoch schleichend. Die Ursachen einer oromandibulären Dystonie sind vielfältig. Sie können einer genetischen Veranlagung entspringen oder die Folge einer Craniomandibulären Dysfunktion sein. Vielfach resultiert sie jedoch aus der Einnahme von Psychopharmaka oder dem Konsum von Drogen; in diesen Fällen spricht die Medizin auch von einer "Tardiven Dystonie".


Zahnärztliche Behandlungen sowie Verletzungen im Gesicht, Mund- oder Kieferbereich vermögen überdies Oromandibuläre Dystonien auszulösen. Hinzu kommt, dass Mundpflege und Sprechen sie vielfach triggert.


Nicht zuletzt kann ein Oromandibuläre Dystonie als Symptom anderer Erkrankungen auftreten. Schließlich vermag sie Folge einer strukturellen Hirnschädigung zu sein, etwa nach Sauerstoffmangel unter der Geburt, ob eines Schlaganfalles oder anderen Hirnverletzungen.


 + + + Wohlmeinende

Schlussbemerkung + + +


Sollte Dein Dich betreuender Arzt bzw. Deine Dich betreuende Ärztin Dir sagen, dass Du eine Oromandibuläre Dystonie hast und diese psychischen Ursprungs sei, solltest Du Dir stets eine fachärztliche Zweitmeinung einholen, da psychogene Dystonien - fachsprachlich "funktionelle Dystonien" - eher selten sind. Zahlreiche, vor allem lebensältere Nicht-Neurolog:innen wissen dies jedoch nicht, da ihnen in ihrem viele Jahre zurückliegenden Studium durchaus anderes vermittelt wurde.

Etablierte Behandlungsmethoden

Nachhaltige Linderung ist leider

nur schwer leistbar!

Bei einer Neuraltherapie werden punktuell Betäubungsmittel gespritzt, die den Schmerz kurzfristig lindern, Schmerzschleifen durchbrechen und die Produktion sowie das Ausschütten körpereigener, den Schmerz dämpfender

Botenstoffe aktivieren sollen.

Aktuell gängige Therapieansätze


Oromandibuläre Dystonien sind grundsätzlich nicht heilbar. Ausnahmen sind "Tardive Dystonien", also jene, die durch die Einnahme von Psychopharmaka ausgelöst worden sind, solange sich diese noch nicht verstetigt haben. In der Folge geht es bei den Oromandibulären Dystonien therapeutisch zuvorderst um eine Linderung der vorrangigen Symptome, zumeist der Muskelfehlspannungen sowie Schmerzen. Außerdem sollte der Abnutzung der Zähne sowie dem Verschleiß der Kiefergelenke vorgebeugt werden.


Es gibt verschiedene Behandlungsmethoden, z. B. Injektion von Botulinumtoxin, das Blockieren von Muskelafferenzen (Injektionen von Lidocain und Äthanol in die Kau- oder Zungenmuskulatur), Fertigung und Tragen einer Aufbissschiene sowie chirurgische Eingriffe (Coronoidotomien).


Nachfolgende Therapieverfahren kommen regelmäßig und je nach Subtyp der oromandibulären Dystonie in Kombination zur Anwendung:


Heiltherapien

  • Manuelle Therapie
  • Physiotherapie
  • Osteopathie
  • Logopädie
  • Ergotherapie


Pharmakotherapien

  • Muskelentspannende und schmerzlindernde Tabletten, Tropfen und Salben
  • Versuchsweise Gabe L-Dopa, Tetrabenazin, Baclofen und Trihexphenydil
  • Botolinumtoxintherapie
  • Neuraltherapie


Invasives Verfahren

  • Durchtrennung der versorgenden Nerven. Das Ergebnis ist in der Regel gut, aber irreversibel, will heißen unumkehrbar.


Andere Therapieansätze sind denkbar. Deren anhaltende Wirkung ist jedoch klinisch bis dato fraglich bzw. nicht belegt. Dennoch: Was hilft, das hilft! Oder: Versuch macht "kluch". Wichtig herbei jedoch: Nicht ohne (fach)ärztliche Begleitung!

Oromandibuläre Dystonie und sensorische Tricks

Kurzzeitige Hilfe zur Selbsthilfe


Auch eine Oromandibuläre Dystonie lässt sich bei vielen vermittels sensorischer Tricks vorübergehend lindern. Hilfreich können leichte Berührungen von Lippen, Kinn, Zähne oder Kiefer sein. Auch Kaugummikauen kann helfen. Beim Sprechen vermag das Halten eines Zahnstochers zwischen den Zähnen lindernde Wirkung zu zeitigen. Das Anlegen eines Fingers unter dem Kinn oder das horizontale Einklemmen eines Stiftes zwischen den Zähnen kann überdies kurzzeitig die dystonen Symtome mildern.

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