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"Behinderten-Burnout" oder: Ich will nicht auch noch verbrennen!

"Behinderten-Burnout" oder: Ich will nicht auch noch verbrennen!

Besonders beeinträchtigt. Besonders belastet. Besonders verbrannt.

Chronisch erkrankt zu sein, strengt an. Die Erkrankung mit ihren körperlichen Folgen selbst. Erforderliche Arzt- und Therapietermine. Die Pflege benötigter Hilfsmittel. 
Der Alltag. Ein Leben, ohne mal eben (...).

Als anstrengend empfinde ich außerdem "besondere Behördengänge", etwa zwecks Verlängerung meiner Parkberechtigung oder zur Beantragung eines Außenliftes. Eine beeinträchtigungsbezogene Mehrarbeit, die mich ein um das andere Mal mehr fordert, 
als nicht-beeinträchtigte Menschen. 

Zudem belastend sind "besondere Buchungserfordernisse". Zugfahrten sind 24 Stunden vorher anzumelden. Hotels im Detail zu checken. Fliegen, möglich, jedoch faktisch unerträglich. Mal eben essen gehen. Schwierig. Spontan mal ins Kino oder Theater. Unmöglich. Einladung zu Konferenzen, Tagungen und Empfänger? Ja, bekomme ich. Doch auch hier heißt es für mich Belange der Barrierefreiheit aufzuklären bzw. um die Herstellung der selben zu bitten. Ein Mehraufwand, der mich ein um das andere Mal mehr fordert, als nicht-beeinträchtigte Menschen. 

Bemerkenswert, als Rollstuhlpflichtige, meine "besonderen Bittstellerfordernisse" bei zahlreichen Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten. Barrierefreiheit in wenigstens 50% der Praxen nicht gegeben. Belastend ferner, dass die Behandlung von Rollstuhlnutzende ein "Mehraufwand" ist, der sich nicht rechnet. Termine auch deshalb schwer oder nicht zu ergattern. Ein Mehr an Telefonieren und Bitten, das mich ein um das andere Mal mehr belastet, als nicht-beeinträchtigte Menschen.

Hinzu kommen "besondere Antragserfordernisse". Obgleich Erkrankung, (Schwer)Behinderung und die Folgen behördlich und versicherungsseitig bekannt sind, habe ich - entweder aufgrund von Zeitablauf oder ob kleinster Veränderungen von Rahmenbedingungen - bestimmte Dinge abermals zu beantragen. Wenigsten jeder zweite Antrag wird zunächst einmal - häufig aus Prinzip, um Bearbeitungszeit zu gewinnen - abgelehnt. Arbeits- und zeitaufwändige Widerspruchsverfahren sind die Folge. Eine beeinträchtigungsbezogene Mehrarbeit, 
die mich ein um das andere Mal mehr fordert, als nicht-beeinträchtigte Menschen. 

Schlussendlich bin ich mit "besonderen Abrechnungserfordernisse" konfrontiert. Was Hilfsmittel anbelangt, mit Krankenkasse. Was ambulante Pflege betrifft, mit der Pflegekasse. Was Dienstreisen anbelangt, mit der Reisekostenstelle. Alle beeinträchtigungsbezogenen Extras müssen extra dargelegt und extra begründet werden. Noch mehr Papierkram, noch weniger Zeit für mich. Ein Mehraufwand, der mich ein um das andere Mal mehr fordert, als nicht-beeinträchtigte Menschen. 

Chronisch Erkrankte sind nicht nur besonders beeinträchtigt,
sondern auch - wie beschrieben - mehr, viel mehr belastet. 
Ein besonderes Burnout nicht selten die Folge:
"Ein Behinderten-Burnout!"
von Eileen Lensch 29. März 2022
Ein Schlag ins Gesicht, im wahrsten Wortsinn! Oder: Gewalt ist auch (k)eine Lösung S atire und Comedy leben von Kunstfreiheit. Dies vor allem, wenn es um eine humorvolle Befassung mit Minderheiten geht. Einige Comedien sind gar der Ansicht, dass ein Verzicht auf eine humorvolle Befassung mit Minderheiten ebenfalls diskriminierend wäre. Wie auch immer: Ich, rollstuhlpflichtig, mag es, wenn Minderheiten - auch Menschen mit Beeinträchtigungen - humorvoll auf den Arm genommen werden. Doch bitte mit Niveau! Bei manchen Akteur:innen mangelt es an eben diesem. Oder: Das Niveau von Chris Rock ist am Sonntag im Rahmen der Oscar-Preisverleihung tiefer gesunken, als so manches Schiff, da das haarfreie Haupt der Ehefrau von Will Smith keine Frisur, sondern die Folge der häufig auch seelisch sehr belastenden Erkrankung "Alopecia areata" (Kreisrunder Haarausfall) ist. Meines Erachtens niveaulose Comedy. Ein geschmackloser Schlag ins Gesicht, für alle, die entsprechend erkrankt sind. Die Folge: Ein Schlagabtausch der anderen Art. Gleichwohl: Gewalt ist auch (k)eine Lösung!
von Eileen Lensch 28. Dezember 2021
Ich bedanke mich bei den 9 Beschwerdeführenden (sowie abilitywatch als unterstützender Verein) dafür, dass sie beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen eine mögliche systematische Benachteiligung von Menschen Behinderungen sowie chronisch Erkrankten beim cornabedingten Traigieren eingelegt haben. Zudem gilt mein Dank den Richter:innen am Bundesverfassungsgericht, welche die antizipierte Gefahr bestätigt und in der Folge den Staat verpflichtet haben, grundlegend regelnd schützend zu unterstützen. Auch das ist Demokratie! 🙏
von Eileen Lensch 30. November 2021
Ein um das andere Mal werde ich gefragt, wie sich Dystonie eigentlich so anfühlt. Garnicht so leicht zu beschreiben. Aber ich will es mal versuchen. Zunächst einmal "die Dystonie" gibt es nicht. Folglich dürfte sie sich bei jedem bzw. jeder ein wenig anders anfühlen. Doch unbenommen der Unterschiede, vor allem hinsichtlich der betroffenen Körperteile, Folgendes scheinen die meisten Dystoniebetroffenen zu kennen: Ein inneres Zittern, das mitunter auch von außen zu sehen ist. Mal mehr, mal weniger. Eine innere muskuläre Anspannung, die mal ausgeprägter und mal weniger ausgeprägt ist. Hinzu kommt ein Ziehen von Körperteilen bzw. Gliedmaße entgegen der "normalen Körperhaltung", sozusagen wie von Geisterhand. Schließlich verdrehen sich bestimmte Muskelpaare, ähnlich, als würde man einen nasses Textilstück auswringen. So oder so ähnlich fühlt sich Dystonie an. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat (...)
von Eileen Lensch 4. September 2021
Unsere Muskulatur steht, sozusagen von Natur aus, fortwährend unter Spannung. Im Wachzustand mehr als im Schlaf. Wenn wir aktiv sind mehr als in Ruhe. Wie auch immer: Die Grundspannung unserer Muskulatur wird als " Muskeltonus " bezeichnet, welche aus dem "Tiefen Hirn" heraus und damit hirnorganisch gesteuert wird. Aufgrund von Fehlbildungen, Verletzungen oder Erkrankungen kann es zu abnormalen Spannungszuständen der Muskulatur kommen, zu sogenannten dystonen Phänomenen. Eine " Dystonie " kann, vom Grunde her auf drei Weisen auftreten. Zum einen als Hypotonie , wenn die Muskelspannung gemindert ist. Zum anderen als Hypertonie , wenn die Muskelspannung gesteigert ist. Schließlich bezeichnen Mediziner:innen auch ein widernatürliches unabgestimmtes und damit krankhaftes Verhältnis der An- und Entspannung als " Dystonie ", nämlich dann, wenn es sich um eine neurologische Bewegungsstörung handelt. Ein Begriff, sehr ähnlich, dennoch zwei Bedeutungen ...
von Eileen Lensch 21. August 2021
Urlaub. Die schönste Zeit im Jahr? Mmmm. Ich bin mir da nicht sicher. Oder: Kann sein. Muss aber nicht sein. Als rundweg Rolli-Nutzende, hängt das weniger vom Wetter, denn maßgeblich davon ab, ob und inwiefern mein Urlaubsort der Wahl barrierefrei ist. Dies gilt einerseits für mein Quartier. Vieles, was von Hoteliers und Ferienwohungsanbietenden ausdrücklich als barrierefrei angepriesen wird, ist dies häufig nicht: Schwere Türen, hohe Türschwellen, zu enge Türrahmen, im Bad zu wenig Platz für den Rollstuhl, zu wenig Abstand zwischen Bett und Wand, um nur einige "blöde Barrieren" zu nennen. Andererseits gilt dies auch für das Umfeld, in dem ich Quartier bezogen haben: Fehlende oder viel zu schmale Bordsteinabsenkungen, fehlende oder unzureichende Behindertenparkplätze, kaum barrierefrei öffentliche Toiletten, Restaurant mit Stufen und Treppen. Ein hindernisfreier Zugweg zum Strand. Für mich purer Luxus! Urlaub ist, da beißt keine Maus den Faden ab, für mich mitunter kein "Kurlaub". Oder: Beim Buchen heißt es genau hinschauen und viel telefonieren beim Suchen ...
von Eileen Lensch 14. August 2021
Dystonie ist Leistungssport Jeden Tag auf's Neue. Jeden Tag Unter Leistungssport wird herkömmlich das intensive Ausüben eines Sportes verstanden, mit dem Ziel, in Wettkämpfen Bestleistung zu erbringen. Ich habe eine Generalisierte Dystonie. Damit bin ich, wie viele andere Dystoniebetroffene, unweigerlich ein:e Leistungssportler:in. Meine Körper und ich üben jeden Tag intensivst - vom Aufwachen bis zum Einschlafen, nahezu ohne Unterbrechung - absonderliche Bewegungen und abnorme Haltungen; und das immer und immer wieder, bis zur Perfektion! Mein Ziel? Der Alltag. Mein tagtäglicher Wettkampf? Ihn zu meistern. Und: Nur wer sein Ziel kennt, findet einen Weg, einen Weg mit Scham, Schmerzen und Erschöpfung dennoch ein erfülltes Leben zu Leben. Jeden Tag auf's Neue. Jeden Tag.
von Eileen Lensch 26. Juli 2021
Die Begriffe „behindert“, „Behinderung“, „Behinderte/r“ und „behinderter Mensch“ sind – zumindest bei den von einer körperlichen, geistigen, seelischen und/oder sinnesbezogenen Beeinträchtigung betroffenen Personen – mittlerweile ziemlich in Verruf geraten. Mehr noch, sie werden zunehmend abgelehnt. Hinzu kommt, dass „Nicht-Behinderte“ mitunter nicht wissen, wie sie „Behinderte“ ansprechen oder über sie schreiben sollen (…). Dieser unsägliche Gesamtzustand liegt einerseits darin begründet, dass Aussagen, wie „Bist du behindert!“, oder, „Das ist ja voll behindert!“, gedankenlos, und mitunter beleidigend genutzt, die Gegenwartssprache vor allem jüngerer Menschen prägen. Andererseits reduzieren u.a. die Bezeichnungen „Behinderte/r“ oder „behinderter Mensch“ gemeinte Personen herausstellend, und damit für alle im wahrsten Wortsinn unmissverständlich defizitbetonend, auf ihre körperliche, geistige, seelische und/oder sinnesbezogenen Beeinträchtigungen, wenngleich eben diese nur ein personenbezogenes Merkmal von vielen darstellt. Kurzum: Die Vielfalt eines Menschen wird auf ein personenbezogenes Merkmal reduziert; mehr noch, einseitig negativ dominiert! Für Verantwortungstragende in Politik und Verwaltung sollte sprachlich außerdem maßgebend sein, dass mit der UN-Behindertenrechtskonvention auch ein „behindertenbegrifflicher Perspektivwechsel“ stattgefunden hat. Klarstellend wird dort auf mögliche körperliche, geistige, seelische und/oder sinnesbezogene Beeinträchtigungen von Menschen abgestellt, die – erst im Zusammenwirken mit sogenannten Kontextfaktoren, z.B. reale, digitale oder soziale Barrieren – dann eine Behinderung entstehen lassen, wenn eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert oder gar unmöglich ist. Kurzum: Beeinträchtigt sein, jedoch behindert werden, mitunter auch sich selbst behindern! Schlussendlich gilt es auch den Aspekt zu berücksichtigen, dass Sprache unser Denken, Denken unser Handeln und alles zusammen auch unsere Haltung prägt. Auch deshalb sollte – unbenommen des sozialrechtlich legal definierten Begriffs der „Schwerbehinderung“ – grundsätzlich von „Personen mit Beeinträchtigungen“ oder „beeinträchtigten Personen“ gesprochen werden, wohl wissend, dass eine entsprechende sprachliche Anpassung zuvorderst relevanter Gesetze und, darauf aufbauend, einschlägiger Erlasse und Verordnungen noch aussteht.
von Eileen Lensch 1. Juli 2021
Putzen ist lästig. Dennoch. Es muss sein. Doch Dystoniebetroffene putzen mehr, bemühen sie sich auch noch so sehr. Bei mir beginnt es bereits morgens, zumeist im Bad. Dass ist machmal ganz schön hart. Kaum bin ich - sind wir, also meine Dystonie und ich - halbwegs munter, irgendetwas fällt mir immer 'runter, seien es meine Zahn- oder Haarbürste, die Zahnpasta oder mein Zahnputzbecher gefüllt mit Wasser. Nur beim Duschen bin ich nasser ... "Verdammt!", hört man mich zischen, da ich im Rolli sitze ist es echt schwierig etwas vom Boden aufzuwischen. Hinzu kommt, dass ich, in dem Moment, in dem ich mich mit meinem Rolli bewege, echte "Bodenmalereien" produziere - "Gratuliere!". Reifenspuren zieren nun mein Bad. Eine Mischung aus Zahnputzwasser und Reifenstaub, echte und ökologische Haushaltskunst, mit Verlaub! Wäsche waschen tue ich besonders hassen! Dies liegt nicht etwa daran, dass ich nicht auch saubere und damit gut riechende Wäsche leiden mag. So'n Quark! Im Gegenteil. Doch meine motorischen Mangelfertigkeiten und die zwergenhafte Größe des Faches für Waschmittel passen eher wenig zusammen. So manches Mal beginne ich meine Dystonie, die Waschmaschinenhersteller, oder beides, laut fluchend zu verdammen. Wenn sich jetzt auch noch die Überreste meines Zahnputzwassers mit dem verstreuten Waschpulver auf meinem Boden mischen, dann, ja dann hilft nur noch wischen. Schweißgebadet stünde schlussendlich Duschen an, was ich als Dystoniebetroffene leider nicht mehr selber kann. Lange Rede, gar kein Sinn: Ich wollte gar nicht putzen, doch manchmal ist Dystonie - wenngleich wider Willen - durchaus auch mal von Nutzen!
von Eileen Lensch 21. Juni 2021
Dystonie und Schmerzen Schmerz ist nicht gleich Schmerz, kein Scherz! Die meisten Dystoniebetroffenen kennen das: Schmerzen, jeden Tag Schmerzen. Schmerzen schmerzen. Schmerzen ermüden. Schmerzen verschlimmern dystone Symptome. Also: Mit Schmerzen ist bei Dystonie nicht zu scherzen! Viele Dystoniebetroffene versuchen ihrer Schmerzen selbst Herr zu werden. Ein Gang in die Apotheke eröffnet rezeptfreie Mittel und Möglichkeiten. Am Anfang helfen diese Präparate, zumindest wenn man Glück, doch irgendwann lässt ihre Wirkung nach. Zudem sind sie nicht selten - vor allem, wenn dauerhaft eingenommen - leberschädlich! Also, was tun, wenn guter Rat teuer ist? Zunächst einmal ist es wichtig, zu wissen, dass Dystonie regelmäßig mit zwei "Schmerzarten" vergesellschaftet ist: Zum einen neuropatische Schmerzen. Zum anderen muskuloskelaterale Schmerzen. Kurzum: Schmerz ist nicht gleich Schmerz, kein Scherz! Neuropathische Schmerzen sind, einfach gesagt, ziehende und brennende Oberflächen-Schmerzen die bewegungsunabhängig auftreten. Muskuloskelaterale Schmerzen sind zerrende Tiefen-Schmerzen, die in der Muskulatur oder den Gelenken zumeist bewegungsabhängig entstehen. Aufgrund der unterschiedlichen Schmerzursache, sind diese Schmerzen auch - will man ihnen nachaltig Einhalt gebieten - unterschiedlich zu behandeln. Ein Mittel für alles gibt es sozusagen nicht. Ein/e Schmerztherapeut/in weiß weiter und ist bestimmt ein guter Begleiter ...
von Eileen Lensch 2. Juni 2021
Das Thema "Dystonie, Partnerschaft und Sexualität" ist - zumindest in der Öffentlichkeit - ein Tabuthema, gleichsam wie das Thema "Behinderung, Partnerschaft und Sexualität" ein Nischendasein fristet. So fragen sich Nicht-Beeinträchtigte Menschen nicht selten: Haben behinderte Menschen sexuelle Bedürfnisse oder gar Sex? Für uns, die wir dystoniebedingt - manche mehr, manche weniger - zuvorderst körperlich beeinträchtigt sind, eine doppelt absonderliche Frage. Was hat Dystonie mit dem Gefühl von Zuwendung, Liebe und sexuellen Bedürfnissen zu tun? Genau. Nichts! Dennoch bewegt das Thema, gleichsam wie Dystonie, im Betroffene wahrsten Wortsinn. Dystonie nimmt Einfluss auf Liebe, Partnerschaften und ja - sprechen wir es aus - mitunter auch Sexualität. Nunmehr versucht "Dystonie Europe" ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, indem sie eine Umfrage aufgelegt hat. In englischer Sprache werden Dystoniebetroffene anonym zu Partnerschaft, sexuellen Bedürfnissen, sowie dystoniebezogene Möglichkeiten und Grenze befragt. Eine Teilnahme an der Umfrage dauert 5 bis 10 Minuten. Ein Klick, und es kann losgehen: https://surveys.dystonia-europe.org/survey/list
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